Würdigung von Andi Ambühlers Werk. René Bucher (02.11.2014)

Es war eine bewegende Erfahrung, mit Andi zusammen für jedes seiner Werke einen passenden Platz in diesem Raum zu finden. Seine Kommentare zu meinen z.T. bohrenden Fragen fügten sich allmählich zu einem Ganzen. Ich lernte dabei Andi als einen zurückhaltenden, bescheidenen und liebenswürdigen Menschen kennen, mit einem unglaublich regen Innenleben, das ihn drängt, seine Gedanken in eine Form zu giessen. Manchmal fragte ich mich, ob sein „Es“ gestaltet oder sein „Ich“?

Ich fühlte mich wie auf einer Schatzsuche. Zwar suchten wir nicht nach Gold und Silber, sondern nach Schlüsselwörtern und Marksteinen in seinem Lebensweg. Er half mir dabei, in seinen Textilien, Objekten, Bildern und Glasperlenstickereien die verschiedenen verborgenen Schichten in seinen Werken ans Licht zu heben und darin zu lesen. Allmählich fügten sich die vielen Puzzle-Steine zu einem lebendigen Bild.

Auf unserer Erkundungsreise machten wir Halt an verschiedenen Orten auf dieser Welt. Andi lebte 8 Jahre in Italien, anschliessend 10 Jahre in Davos und dann in Zürich, arbeitete zwischenzeitlich u.a. in London, New York, München, wo er mit anderen Künstlern auch seine Werke ausstellte. Als ausgebildeter Schneider und späterer Designer arbeitete er für keine geringeren Modehäuser wie Valentino, Missoni und Werriuomo, für die er Textilentwürfe anfertigte und Kollektionen zeichnete. Er reiste auch zweimal nach Nordafrika auf der Suche nach der im Altertum untergegangenen Stadt Karthago. Und damit kommen wir zum ersten Schlüsselwort: Salammbo. Salammbo war die Prinzessin und Schwester des uns aus der Sekundarschule noch bekannten Feldherrn Hannibal. Sie ist die zentrale Figur im Roman von Gustave Flaubert, der Mitte des 19. Jahrhunderts ein grosses Echo ausgelöst hatte. Ohne Kenntnis dieses Buches von Flaubert lässt sich das Werk von Andi kaum richtig fassen. Ein paar Stichworte zum Inhalt dieses Buches:

Die geheimnisvolle Salammbô ist die Tochter des karthagischen Feldherrn Hamilkar Barkas und Schwester Hannibals, Priesterin der Göttin Tanit. Als nach der Niederlage Karthagos im ersten Punischen Krieg ein Söldneraufstand ausbricht, wird sie zur Retterin der Stadt, indem sie den vom Söldnerführer Mâtho geraubten heiligen Mantel der Göttin zurückholt. Aus dieser Handlung macht Flaubert einen großartigen Roman von ungeheurer Wucht, ein Buch voller Exotik, Sinnlichkeit, Brutalität und Grausamkeit, das den Leser fasziniert, abstößt und doch wieder in seinen Bann schlägt.

Und weiter:

An der Meisterleistung „Salammbo“ kann man sehen, wie viel buchstäblich knochenharter Arbeit es im Steinbruch der Imagination … und des Stils bedarf, um aus einer Phantasie einen Roman zu machen, dessen Geschichte trägt.

Was man über den Autor Flaubert sagt, könnte man auch vom Künstler Andi Ambühler sagen: Knochenharte Arbeit im Steinbruch der Imagination! Die Geschichte „Salammbo“ sollte man sich beim Betrachten der Textilien, der Glasperlenstickereien und der Objekte vergegenwärtigen! Man denke insbesondere an den heiligen Mantel der Karthager beim Betrachten der Mäntel, Jacken, Röcke und Decken!

Ein zweites Schlüsselwort ist gefallen: „Imagination“.

Wie damals Leonardo da Vinci seine Schüler aufgefordert hatte, zur Anregung ihrer Phantasie und Imagination, die Patina der Fassaden von alten Häusern zu betrachten, bevor sie mit ihrer Malerei beginnen, so steckt ein ähnlicher Gedanke hinter Andis Kunstwerken. Seine Werke wirken wie Leonardo da Vincis Patina: Sie regen die Vorstellungskraft, die Imagination an. Gelegentlich bemerkte Andi: „Stell dir vor, es wird ein Film gedreht, z.B. einen Pasolini, und man greift einfach zu diesen verschiedenen Objekten und gestaltet so eine stimmungsvolle Kulisse“.

Wir kommen zu einem weiteren Schlüsselwort: Kulturen und kulturelle Vielfalt.

Afrika, Asien, Amerika, Europa – und Toggenburg!! In den Textilien sind buchstäblich in mehreren Schichten Reliquien, Fragmente verschiedenster Kulturen eingenäht. Glasperlenstickereien von Lappland, von Arabien, Mäntel und Jacken aus Afrika, eben auch aus Karthago, wo er ja selber war!

Ein weiteres Schlüsselwort ist gefallen: Toggenburg.

Andi ist zwar ein Zürcher, weilte aber immer wieder im Toggenburg, wohnte oft bei seiner Tante in Hinteregg bei Brunnadern. Und so verwundert es nicht, dass zwei pastellfarbene Bilder Ausschnitte aus dem Neckertal von Hinteregg aus darstellen. Ein weiteres Bild zeigt den „Fujiyama“ von Davos, das Seehorn und ein anderes die Natur vor seinem Küchenfenster in Zürich-Höngg. Die beiden Hunde verraten, dass Andi ein Tierliebhaber ist – die Appenzeller mag er weniger (gemeint sind die Hunde!)

Andi liebt Jiddische Musik, die auch Elemente der Zigeunermusik enthält und somit auch eine gewisse Verbindung zum Flamenco besteht, wovon er gleich anschliessend einen Soleares und einen Fandango hören wird.

Ich möchte mich bei Andi bedanken, dass er Liselotte und mir erlaubt hat, einen Blick in seine spannende Innenwelt zu werfen und wir an ihr teilhaben durften.

Hemberg, 02.11.2014            René Bucher